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Ein Versprechen

Carlisle Floyd und sein Nach-Bürgerkriegs-Drama „The Passion of Jonathan Wade“ - zum Hintergrund

Premiere: 16.Mai 2010
Landestheater Salzburg
als Europäische Erstaufführung
Musik. Leitung: Adrian Kelly,
Bühne: Hans Dieter Schaal,
Kostüme: Marie-Luise Strandt,
Dramaturgie: Bernd Feuchtner

Lukas legt seine Argumente auf den Tisch

Man dachte, das Problem hätte sich erledigt. Barack Obama als erster farbiger Präsident der Vereinigten Staaten – die Rassenfrage endlich passé. Doch inzwischen hat sich das Blatt etwas gewendet, nicht zuletzt wegen der Gesundheitsreform. Die Rechte sammelt sich in rassistisch angehauchten „Tea Partys“. Der längst tot geglaubte Ku-Klux-Klan erhält neuen Zulauf und wirbt in Gartenfesten für ein „Amerika den weißen Amerikanern“. Der Nord-Süd-Konflikt innerhalb der USA ist virulent. Es ist ähnlich wie bei der Ost-West-Drift in Europa und der Süd-Nord-Drift allgemein. Die reicheren Länder üben einen Sog aus auf die ärmeren. Die Verteilungskämpfe nehmen zu.

Der Amerikanische Bürgerkrieg 1861-65 war ein Verteilungskampf. Eigentlich ging es um die „Ressource“ Arbeitskraft. Der Norden brauchte für seine industrielle Entwicklung Arbeiter, die Sklavenfrage war ein Motivationsschub zur Mobilisierung. Über die Sklaverei wurde zwar von Anfang an diskutiert. Die Quäker lehnten sie aus religiösen Gründen ab. Die US-Gründerväter hielten zum Teil selbst Sklaven, machten sich um die Sklavenfrage wenig Gedanken – ebenso wenig wie um das Wahlrecht der Frauen. 1787 wurde die Sklaverei in einigen Nordstaaten zwar verboten. Mit dem Aufkommen der aus England überschwappenden „Abolitionisten“-Bewegung 1808 verstärkte sich sogar der Trend zur Ächtung der Sklaverei.

1857 gab es indes einen herben Rückschlag. In einem höchstrichterlichen Urteil, dem „Dred-Scott-Entscheid“, wurde die fakultative Beibehaltung der Sklaverei akzeptiert. Sklavenhalter aus einem Sklavenhalterstaat sollten ihre Sklaven in einem Nicht-Sklavenstaat behalten können, wenn sie dorthin umzögen. Bei der damaligen Fortschritts- Partei, den Republikanern im Norden, stieß das auf breite Ablehnung und trieb den Anwalt Abraham Lincoln in die Politik. Die Spannungen zwischen den Nord- und den Südstaaten wuchsen und mit ihnen die Sezessions-Bestrebungen der Südstaaten, die sich reihenweise aus der Union lösten.

Die Eroberung von Ford Samter, einem Stützpunkt der unionierten Armee im Hafen von Charleston, am 14.April 1861durch Konföderierte eröffnete den Krieg.

Der tote Bruder

Der Amerikanische Bürgerkrieg hinterließ tiefe Spuren, es war der erste „industrielle Krieg“. Allerdings nicht von Anfang an. Die Führung der personell schwächeren konföderierten Süd-Armee taktierte hinhaltend wie eine Guerilla- oder eine Freizeit-Armee. Deren Soldaten verabsentierten sich auch schon mal für einen Abstecher auf die Farm nachhause. Erst als die Auseinandersetzung sich in die Länge zog, als die zu bewältigenden Entfernungen für den Norden immer riesiger wurden, die Organisation des Nachschubs im noch eisenbahnarmen Süden sich immer schwieriger gestaltete, wurde die Gangart forciert.

Mit rücksichtslosem Einsatz von Menschen und Material eskalierte die Führung der unionierten Nord-Armee den Krieg. Viele neue Waffen und Kriegstechniken wurden erprobt: Prototypen von gepanzerten Schiffen, Minen, Torpedos, U-Booten, auf Eisenbahnwagen montierten Geschützen, Repetiergewehren, Feldtelegraphen. Ein gut eingebettetes Pressekorps begleitete die Truppen. Fotografisch dokumentiert wurden die Schlachten und Kriegszüge, die Leichen auf dem Schlachtfeld einbalsamiert und für den Heimtransport präpariert.

Nicht zufällig studierten europäische Militärbeobachter aufmerksam dies hoch technisierte Kriegs-„Theater“, wie Militärs das nennen. Die Deutschen „profitierten“ davon im Deutsch-Französischen und dann im Ersten Weltkrieg. Auch für Amerika wurde der Bürgerkrieg prototypisch für seine Einsätze im WK I und II. Wenn in der Endphase des Pazifikkriegs junge japanische Piloten zu Kamikaze-Missionen in die Luft geschickt wurden, war das ein hilfloser Selbstmord-Einsatz gegen die Materialschlachten der US-Army. Erst gegen die Guerilla-Taktiken der Vietnamesen versagte diese Strategie der Materialschlachten. Und auch im Irak und in Afghanistan zeigten und zeigen sich Grenzen.

Bitten um Freiheit & Brot

Der Amerikanische Bürgerkrieg war der bis dahin blutigste Krieg. Eine Million Tote und Verwundete bei 3,5 Millionen eingesetzten Soldaten auf beiden Seiten waren zu beklagen. Die Verwüstung ganzer Städte im Süden wie Richmond, Atlanta, Columbia und ganzer Staaten wie Georgia und South Carolina hinterließ tiefe Wunden der Verbitterung gegen die „Yankees“. Der Süden wurde vom Norden als besetztes Feindesland betrachtet. Wollte Lincoln 1863 den Pflanzern und Landlords im Süden noch Amnestie gewähren, falls sie in die Union zurück kehrten, wurde im Jahr nach Lincolns Ermordung 1865 die „radikale Rekonstruktion“ verfügt und damit die vom Militär rigoros beaufsichtigte Durchsetzung des neuen Rechts.

Der wirtschaftlich wie bevölkerungsmäßig ohnehin überlegene Norden konnte so seine Dominanz ausbauen. Weitere Ergebnisse dieses Kriegs sind die beschleunigte Expansion der Vereinigten Staaten in den Westen, die oft bis zur Ausrottung gesteigerte Vertreibung der Indianer aus ihren angestammten Gebieten und die Vernichtung ihrer Lebensgrundlage, der riesigen Büffelherden. Eine Folge dieses Kriegs war auch der starke Anstieg der Kriminalität in den Städten. So viele Männer waren geübt im Umgang mit der Waffe, waren entwurzelt, traumatisiert.

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Carlisle Floyd, Südstaatler, geboren am 11.Juni 1926 in Latta / South Carolina [*Nachtrag: gest. 30.Sept. 2021 in Tallahassee, Florida], schrieb seine Oper „The Passion of Jonathan Wade“ mit Unterstützung der Ford-Stiftung. 1962 wurde sie an der New York City Opera uraufgeführt und 1991 in einer überarbeiteten Version in Huston neu herausgebracht. Auf diese Fassung stützt sich auch unsere Europäische Erstaufführung.

Floyd schrieb seine Oper vor dem Hintergrund der sich wieder zuspitzenden Rassenfrage. Mit dem „Busing“, dem Versuch der Integration von schwarzen und weißen Schülern im Süden der USA, forderten die Schwarzen, die als GIs massenhaft in der Army den Faschismus besiegen geholfen hatten, endlich die „Dividende“ des Amerikanischen Bürgerkriegs ein. 1960 war John F. Kennedy Präsident geworden, die Hoffnung auf eine Versöhnung wuchs. Aber es bedurfte noch einiger Toter wie des Präsidenten selbst in Dallas, seines Bruders Bob und des schwarzen Predigers Martin Luther King, der 1963 vor dem Lincoln Memorial sein berühmtes „I have a dream“ verkündete, bis die amerikanische „Apartheid“ strukturell überwunden werden konnte.

Der Konflikt freilich, wie Floyd als sein eigener Librettist ihn schildert ist sehr viel allgemeiner: ein nordamerikanischer Offizier (Jonathan Wade), der miterleben musste, wie die Konföderierten seinen Bruder zu Tode quälten, kommt in die Stadt Columbia / South Carolina und soll dort die neue Nachkriegs-Ordnung etablieren. Dabei gerät er sowohl ins Visier der zäh an den alten Privilegien festhaltenden Südstaatler (Lucas), die sich als „Knights“ terroristisch organisieren und Wade dann auch ermorden. Zum anderen setzt ihm ein radikaler Politiker aus dem Norden (Pratt) zu, der buchstabengetreu und ohne Augenmaß die neue Ordnung durchpauken will.

Heldendämmerung

Geschildert wird also, wie es ist, wenn ein fremdes neues System einem Land und seinem angestammten System übergestülpt wird; was passiert mit den Menschen, die dort leben, und denjenigen, die dort hinkommen; was passiert mit ihrem Leben, wenn alles aus den Fugen gerät, wenn die Haltepunkte wegbrechen. Die Menschen im Osten haben das ähnlich wenn auch unter anderen Voraussetzungen erlebt nach der Wende. Bei Floyd gibt es die Kriegsgewinnler ebenso wie die Skeptiker. Etwa den Richter Townsend, der es anmaßend findet, einen Unterwürfigkeitseid auf das neue System zu leisten, und als er sich weigert, um seinen Beruf und seinen Besitz gebracht wird, und der sich dann auf die Seite der „Knights“ schlägt.

Wir begegnen seiner Tochter Celia, die zerrissen wird zwischen der Liebe zu ihrem Vater und der Treue zu ihrem Verlobten, den sie verloren hat im Krieg. Und nun ist da der neue Mann aus dem Norden, Jonathan Wade, den sie zu lieben beginnt und den sie verteidigen muss gegen ihren Vater. Es gibt die Hassprediger, die die Heirat einer Südstaatlerin mit einem Nordstaatler als Verrat brandmarken und „rächen“. Es gibt die Schwarzen, die nicht wissen, was sie mit ihrer neuen Freiheit anfangen sollen, weil sie es nie lernen konnten, und es gibt mit Nicey die schwarze Vertraute von Celia, die sich lustig macht, dass einer aus dem Norden sie beglücken will mit der frohen Botschaft, sie dürfe nun endlich lesen und schreiben lernen; dabei wurde ihr das nie vorenthalten in der Familie von Celia, wie sie auch immer frei war, zu bleiben oder zu gehen.

Floyd komponiert das in einer sehr einfühlsamen, an den Text sich anschmiegenden, fast filmischen Musik. Manchmal mit Pathos, manchmal mit kühler Distanz. In eingeschobenen fast kabarettistischen Episoden wird das Geschehen aufgelockert und aus einem fremden Blickwinkel reflektiert. Auch die Musik der Schwarzen wird gelegentlich mit eingewoben.

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statue of liberty, new york

Die Freiheitsstatue, entworfen von Frédéric Auguste Bartholdi und Gustave Eiffel, 1886 eingeweiht als Geschenk Frankreichs zum hundertsten Jahrestag der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776, ist auch ein Mahnmal der Sklavenbefreiung. Die Göttin der Freiheit zertritt mit ihren Füßen die Ketten der Sklaven. Vielen Auswanderern und Flüchtlingen etwa vor dem Nazi-Regime leuchtete sie bei der Einfahrt in den New Yorker Hafen als Hoffnung auf eine neue Zukunft. Die chinesischen Studenten, die 1989 auf dem Tiananmen-Platz demonstrierten gegen die geistigen Ketten der Staats-Partei, modellierten sie als „Göttin der Demokratie“.

Mit einer siebenstrahligen Krone ist diese „Statue of Liberty“ geschmückt. In ihr befinden sich 25 Fenster. Die sieben Strahlen symbolisieren die sieben Meere und Kontinente, die 25 Fenster symbolisieren die 25 Edelsteine der Welt. In das Podest eingraviert ist Emma Lazarus‘ Gedicht „The New Colossus“, eine Anspielung auf den Koloss von Rhodos mit der sprichwörtlichen Aufforderung zu dem „hic Rhodos, hic salta“, also: die Ankündigungen auch wahr zu machen. Goldbeschichtet ist die Flamme der in den Himmel gereckten Fackel. Die „Liberty“ war und ist als Symbol eine Forderung und ein Versprechen für die ganze Welt.

gfk

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Die Aktivität liegt in jedem einzelnen

Arila Siegert im Gespräch über
„The Passion of Jonathan Wade“

Hochzeit als Albtraum

Das Stück beginnt mit der Situation nach einem verlorenen Krieg. Es zeigt die Wunden, die Zerstörung nach diesem mit aller Bitternis geführten Amerikanischen Bürgerkrieg. Aber auch den Versuch eines Neuanfangs, der jedoch bald im Keim erstickt wird von den „Extremisten“ auf beiden Seiten, zum einen dem Pflanzer Lucas, zum anderen dem aus Washington entsandten Polit-Manager Pratt. Das Stück ist bei dir entwickelt aus einer Erstarrung, einer Art Totenfries.

Die Überlegung war, dass ein Ende immer ein Anfang ist und dass in solchen Zeiten dieses pure menschliche Verhalten blank liegt. Es geht hier um eine „Passion“, ein Schicksal, das sich in diesen Umbruchzeiten entscheidet oder erfüllt. Die Menschen werden in ihren Eigenarten besonders plastisch dadurch dass die Verhältnisse rundum nicht „saniert“ sind.

Die Oper zeigt auch die Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten, mit denen die „Eroberer“ oder Besatzer, also die Yankees, und die „Eroberten“ oder Okkupierten, also die ehemaligen Konföderierten, zu kämpfen haben. Ein altes System, also die Sklavenwirtschaft, wird abgeschafft, und ein neues System, die Demokratie für alle [im damaligen Verständnis: Männer], soll etabliert werden. Was war da für dich wichtig zu zeigen – auch im Blick auf die Erfahrungen in Deutschland nach der Wende in der DDR oder nach dem Zweiten Weltkrieg?

Wir tragen ein Bündel von Erfahrungen mit uns herum. Aber wenn plötzlich nicht mehr gilt, worauf wir gebaut haben, dann sind wir oft nicht in der Lage, uns umzustellen, unseren Lebensstandard zu ändern, das Alte loszulassen, ganz neu zu denken und uns ganz neue Wertsysteme zu erarbeiten. Wir sind oder machen uns abhängig von Gewohnheiten. Das wird im Stück sehr deutlich: etwa am Beispiel des Pflanzers Lucas, der knallhart sagt, ich bin von Kindheit an gewohnt, dass mir jemand das Wasser bringt, die Sachen anzieht, die Stiefel auszieht, die Waffen putzt – und ihr habt uns das alles genommen. Ich will mich nicht umstellen, das war schön so.

Die Kriegsgewinnler

Drei Figuren machen in dem Stück besonders bemerkenswerte Wandlungen durch: Zum einen Celia. Sie hat ihren Verlobten und ihre Mutter im Krieg verloren, sie sieht in den Yankees nur Verbrecher und verliebt sich nun in den Nord-Offizier Jonathan Wade, was ihre Umwelt als Verrat inkriminiert. Dann Jonathan Wade. Er hat selber im Krieg den Bruder verloren (der ihn nun wie ein Schatten begleitet) – und dennoch will Wade offen und fair seine Aufgabe als militärischer Administrator im Süden angehen und wirbt um die erst so abweisende Celia. Schließlich Judge Townsend, ein liberaler, kunstsinniger Richter. Wade empfängt er erst offen, wird aber zu seinem Feind, als Wade einem Befehl aus Washington folgend ihn „entehren“ muss, d.h. ihn von seinem Posten absetzen und sein Eigentum einziehen soll. An Townsend wird ja eigentlich die Zwiespältigkeit des Verfahrens deutlich, einer Gesellschaft mit Gewalt die neue Ordnung aufzuzwingen. Andererseits wird an dem schon erwähnten Lucas, der seinen Sklaven als billigen Dienstboten nachtrauert, deutlich, dass ohne Strenge die neue Ordnung nicht durchzusetzen ist.

Jonathan Wade geht das mit viel Fingerspitzengefühl an und hätte möglicherweise auch erreicht, dass es läuft. Das Problem ist Enoch Pratt, ein Emporkömmling und Erfolgsmanager. Pratt intrigiert. Diese Intrige lenkt die Schicksale, nicht dass niemand bereit wäre, die neue Zukunft auszuprobieren. Bis zur Mitte des Stücks, das ja in etwa die ganze zweite Hälfte des Jahres 1865 reflektiert, ist bei allen Komplikationen ein Erfolg des Wandels immer noch möglich. Aber es kippt mit der falschen Order aus Washington: Townsend soll enteignet und ihm jegliche Lebensgrundlage entzogen werden, weil er den Eid auf die neue Verfassung nicht geleistet und den „Pardon“-Wisch nicht unterzeichnet hat. Es ist eine Ungerechtigkeit, die die Katastrophe herbeiführt. Das alte System schlägt zurück, und Wade wird durch diese Intrige zerrieben zwischen den Mühlsteinen. Auch Celia und Townsend leiden unverschuldet mit. Schuld ist dieses ewige Gerangel, wie wir es auch heute erleben in den Familien, am Arbeitsplatz, wenn einer Macht ausüben und die mit Brachialgewalt durchsetzen will. Das ist das eigentliche Thema dieser „Passion“. Was uns weiter bringt, ist die Liebe. Aber wenn einer Macht ausleben will zur Befriedung seines Ego, wird alles zerstört.

Bewährung der Freiheit

Es wird in dieser Oper nicht nur über die Schwarzen verhandelt, einige spielen auch mit.

Zu organisieren war das schwierig. Wir haben zehn farbige Statisten. Die sind hier in Salzburg in ein enges System von Schulungen eingebunden; es ist ihnen ein enger Rahmen gesetzt, was sie dürfen, was nicht. Aber sie bringen natürlich mehr Authentizität in das Stück, weil außer Celias Vertrauter und Hausangestellter Nicey kein Farbiger eine größere Rolle spielt in der Oper. Wir haben von Anfang an gewollt, dass die, um die es eigentlich geht, auch auf der Bühne vertreten sind und der Konflikt nicht nur zwischen den Weißen ausgetragen wird.

In der Oper gibt es auch einige karikaturistische Einschübe. Ist das mehr als ein Atemholen gleichsam zwischendurch?

Die Episoden sind musikalisches Kolorit, zum Teil „amerikanisch“ jazzig komponiert. Aber sie zeigen auch, was auf der Straße passiert. In der ersten Episode singen vier schwarze Boys „wir sind so frei wie Frösche“ – das ist ein Synonym dafür, dass sie mit dieser Freiheit erst mal gar nichts anfangen können, wie wir das kennen aus Deutschland, wo DDR-Bewohner eingebunden waren in ganz andere Zusammenhänge. Dieses „free as a frog“ charakterisiert die Farbigen, die das alles ganz anders erleben und dennoch vor der Frage stehen, was nun werden soll. In zwei anderen Episoden werden Kriegsgewinnler gezeigt, die versuchen aus der allgemeinen Verunsicherung Kapital zu schlagen. In der letzten Episode wird die Ungerechtigkeit an Townsend gezeigt: wie ein so angesehener Mann plötzlich zum „homeless“ wird und was das bewirkt in einer Stadt wie Columbia, wie das die Aggressionen schürt und wie sich alle Männer um ihn herum dann den „Knights“ des Ku-Klux-Klan zuwenden. In dieser Episode wird gleichsam das Urteil gesprochen über diesen Veränderungsprozess, und die Männer gehen mit Gewalt gegen Wade vor.

Nicey und Celia beugen sich über den toten Wade

In der Ur-Fassung war das Stück ein ziemlicher Brocken mit um die drei Stunden reiner Spieldauer. Der Komponist hat die Partitur später selber etwas gekürzt, und ihr habt sie noch einmal gestrafft in Zusammenarbeit mit Adrian Kelly, dem jungen Dirigenten, und Bernd Feuchtner als Dramaturgen. Der geforderte Orchesterapparat ist riesig.

Adrian hat einige Instrumental Parts umgeschrieben. Das Schlagwerk ist etwas „eingedampft“ worden. Dennoch sind auch die Proszeniumslogen neben und über dem Orchestergraben besetzt. Es ist eng und schwierig, aber die Musiker spielen so wunderbar, dass es eine sehr interessante Variante des Stücks wird.

Am Ende blendet die Inszenierung zurück in den Anfang. In Hans Dieter Schaals Bühnenbild sieht man die Menschen hinter schwarz-weißen Bretter-Verschlägen trauernd. Sie scheinen gefangen in ihrem System, auch wenn kurz mal die „statue of liberty“ als Symbol der Befreiung aufleuchtet. Aber der Prozess der Befreiung geht in kleinen Schritten, dauert bis heute.

Ich will erzählen, dass jeder Mensch persönlich für seine eigene Freiheit jeden Tag immer wieder kämpfen muss. Nicey und Celia, die beiden Frauen, bewegen sich außerhalb dieses Gitter-Systems. Sie gehen nach Wades Ermordung weg, in eine neue Zeit sozusagen. Verluste, die einen tief treffen, verändern einen. Und diese Hoffnung, dass sich etwas ändert, bleibt. Wir befinden uns zwar immer wieder in Situationen, wo wir gefangen sind. Aber wir müssen uns daraus immer wieder neu befreien. Die Aktivität liegt in jedem einzelnen. Das ist meine Hoffnung, gezeigt an den beiden Frauen.

gfk, 09.Mai 2010