Ihrer leuchtenden Kleider beraubte, nunmehr grau-mäusige
Gestalten, drei Männer und drei Frauen, laufen aufeinander zu und
verfehlen sich wieder und wieder; kein Mittelpunkt ist da. Dabei
besingen sie halbherzig erleichtert gängige Moral. Der treulose
Tunichtgut fand seine gerechte Strafe. Dieser aber, wie ein
Springteufel der Hölle entstiegen, grüßt mit dem Champagnerglas.
Dionysos, ewig jung und schön. Doch die Flasche ist leer. Am Ende
hält er sie wie eine erloschene Totenfackel nach unten.
In Arila Siegerts Inszenierung
des „Don Giovanni“ gibt es immer beides, die Tragödie und die Farce,
die Tanzshow und das Drama, die hehre Oper und das sinnliche Spiel.
Eine Banalität eigentlich, wenn man von Mozarts „Dramma giocoso“
spricht, aber in dieser Produktion ist die theatralische Ambivalenz
bis zur Gleichzeitigkeit eng ineinandergeknüpft...
Das Inszenierungsteam kommt aus dem geistigen Umfeld Ruth
Berghaus’ und eine winzige Hommage an Berghaus’ legendären Berliner
„Giovanni“ war auch zu sehen. Der von allen umkreiste Mittelpunkt, sehr
präsent und bewegungssensibel bis in die Fingerspitzen war
Shin Taniguchi in der Titelpartie. Er beherrscht das
gestische Singen, stellte seinen schönen volltönenden Bariton nicht
vordergründig aus, ließ sich Zeit, vermittelte auch die leisen und
gebrochenen Töne...
Katrin Kapplusch spielte sich als Donna Anna in
eine tragische Größe hinein, ließ sie aber an den Umständen immer
mehr zerbröckeln; stimmlich die reichste, leuchtendste in der
außerordentlich jungen Besetzung. Ihr auch stimmlich noch sehr
junger aber energischer Ottavio, Joshua Withener,
wird schon seine nächste Frau dominieren. Hinrich Horn gab
wohllautend beweglich den perfekten Leporello, fast symbiotisch mit
seinem Herrn verbunden.
Das gesamte Ensemble einschließlich des individuell geführten Chores
und der großartig kostümiert aufspielenden Bühnenmusiken bot eine so
unglaublich perfekte Ensembleleistung, dass sie von Lutz de
Veer und dem Orchester geradezu als Ganzes musikalisch
getragen werden konnte.