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Verbannte, wollt ihr ewig spielen?

Hüte dich vor dem Boten: Arila Siegert interpretiert Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in Chemnitz

Irene Tüngler*) in Sächsische Zeitung, Dresden, 29.03.2004 **)
„Macht die Liebe auch groß, macht noch größer der Schmerz“. So tröstet die Muse am Schluss den verzweifelten Hoffmann, dahin geht auch die Grundaussage von Arila Siegerts Chemnitzer Inszenierung von Hoffmanns Erzählungen, die am Sonnabend Premiere hatte.

Die Inszenierung geriet schlackenlos und stringent, da sie sich weder darauf versteifte, Geheimnisse der dreigeteilten Frauenseele zu erforschen noch Hoffmanns Bindungsängste zu therapieren, nicht die Dämonie der Muse suchte oder die Spieß- und Spaßgesellschaft geißelte. Siegert suchte keinen Subtext, mit der Künstleroper erzählt sie von Künstlern.

Im Vorspiel auf dem Theater wird der Ausgangspunkt der Geschichte klar. Untermalt von der präludierenden Solo-Violine geraten Hoffmann und Sängerin Stella in einen Streit. Der um Verzeihung bittende Brief, mit dem die Oper beginnt, ist somit motiviert. Dass der Bote – des Teufels Diener und niemand anders als Klein Zack – ihn an den Rat Lindorf verkauft – den Teufel –, sorgt für den tragisch großen Schluss. Dieser Teufel, der große Verwandlungskünstler (ordentlich bassig: Thomas Mäthger) und sein dienstbarer Unterteufel (knatschig chraktertenoral: Jürgen Mutze), sind immer deutlich erkennbar präsent.

Die Regisseurin tut dem so geistesklaren „Gespensterhoffmann“ alle Ehre an. Als imaginiere man eine seiner Geschichten, gibt es Verdopplungen und Verwandlungen, lebende Spiegelbilder und Spiegel ohne Bilder, tote Seelen und solche, die nie lebten. Ihre schaurigste Erfindung ist ein höllisches Orchester, dazu verbannt, ewig zu spielen und keinen Ton hervorzubringen...

*) Auch für DLF-Musikjournal

Durchnüchterte Romantik

Joachim Lange, in: Opernwelt 6/2004,
über die Vorstellung am 16.April 2004 **)

Mit einem kleinen hinzuerfundenen Krach zwischen Hoffmann und Stella in der Garderobe lässt Arila Siegert ihre Inszenierung beginnen, bevor der frustrierte Dichter in Luthers Weinstube von „seinen“ drei Frauen erzählt. Aber es ist weniger gelebtes Leben, von dem da berichtet wird, als der Versuch mit gescheiterten Beziehungen fertig zu werden und sie in Kunst umzumünzen. Kunst kommt von Leben. Auch von nicht gelebtem, oder von unerfüllter Liebe.

Arila Siegert findet in drei transparenten und verschiebbaren Bühnenmauern, mit denen sich im Handumdrehen die Schauplätze wechseln lassen, den Rahmen für jene durchnüchterte Romantik, mit der sie die Geschichte souverän und konzentriert erzählt. Das teuflische Personal Thomas Mäthger mit solider Wandlungsfähigkeit und einer dunkel leuchtenden Spiegelarie als Krönung) und sein komödiantischer Gehilfe (Jürgen Mutze) werden dabei nicht allzu diabolisch überzeichnet...


Happyend im Mantel

Christiane Hamann-Pönisch, in Chemnitzer Morgenpost, 30.03.2004

...Keine Altertümelei, die Herrenrunde in passablen Modemarkt-Klamotten ist gespannt bei der Sache, wenn es um das Thema Nummer 1 geht. Die Bühne mit sparsamem Rundbogengemäuer: ein Wunderwerk aus Transparenz und Licht (Johannes Conen, Holger Reinke). Erfrischende Einfälle mit Spiegeln, Tretrad, Fleischwolf und verdrecktem Kammerorchester. Alles bewegt und alle bewegen sich, selbst die Bühne nebst Leutchen kommt (Venedig-Szene) schön ins Schwanken. Der Böse ist bei der Siegert ein schmierig-kluger Vertretertyp, der Gute eine selbstmordgefährdete tragische Figur. Zum Happyend Offenbachs fantastischer „Erzählungen“ vom Dichter, der Kunst und der wahren Liebe wickelt sich das überhaupt nicht glücklich scheinende Paar in einen übergroßen Mantel.

Das ist vor allem in der ersten Hälfte witzig gespielt, insgesamt toll gesungen von einem hervorragenden Ensemble...


Der Dichter singt das alte Lied

Offenbachs einzige Oper – Premiere einer fantasievollen Inszenierung

Reinhold Lindner in Freie Presse Chemnitz, 29.03.2004

...es ist wiedermal so richtig Oper. Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ lassen sich seit Samstag in der Chemnitzer Oper hören und sehen. Neu ist, dass Regisseurin Arila Siegert alle drei Geliebten Hoffmanns zu Grabe trägt. Doch das ist konsequent. Sie greift in die Luft und drückt seiner dritten, der venezianischen Kurtisane Giulietta, einen Becher Gift in die Hand. Vor ihr ist schon Olympia, das automatisierte Technik-Monster, kaputt gegangen.

...Arila Siegert bringt gemeinsam mit dem Ausstatter Johannes Conen sinnliche Bilder in Szene, hier ist Klang zugleich optisch erlebbar...


Gespenstische Fantasien

Oper in Chemnitz: Zur vorzüglichen Inszenierung von Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“

Christoph A. Brandner, in: Fuldaer Zeitung, 12.05.04

...Im Verein mit dem vorzüglichen Ausstatter Johannes Conen und dem exzellenten Lichtgestalter Holger Reinke führt Siegert mit ironischen Brechungen in ein durchaus heutiges Universum, verschiebt den Schwerpunkt von der Realität auf die Fiktion, gibt in ihrer spannend-unwirklich-unheilvollen Szenografie genügend Raum für Humor, Tragik, Groteske sowie Absurdes und fasziniert mit der aktuellen Dämonie der Romantik. Und immer wieder verweist die Inszenierung auf den Vater des Textes, auf E. T. A. Hoffmann, dessen Schriften Heinrich Heine als einen „entsetzlichen Aufschrei in 20 Bänden“ deutet.

Diese beunruhigend-beglückende szenische Gespenstersonate lebt aus und vom Rhythmus und von der Einzigartigkeit der Offenbachschen Musik, die nach dem Urteil von Siegfried Krakauer „von der Panik des im Finstern verlorenen Kindes erfüllt ist“...


Größe durch Tränen

Hoffmanns Erzählungen am Chemnitzer Opernhaus

Laura Naumburg, Neues Deutschland, 02.04.2004

Es ist zwar eher ein Kriterium für Bildende Kunst als für die Bühne, aber man kann nicht umhin, es festzustellen: Arila Siegerts Inszenierungen passen in das Chemnitzer Opernhaus, als seien es Installationen für dessen Innenarchitektur. Es herrschen durchsichtige Helligkeit und klare Linien, nirgends spürt man lastende Schwere und immer wieder findet sich ein zärtlich verspieltes Detail.

Genau dies lässt sich für die neue Produktion von Hoffmanns Erzählungen in Chemnitz sagen. Arila Siegert hat das Stück schnörkellos stringent erzählt... Chemnitz jubelte nach der Premiere.


Lebendig, romantisch, mitreißend

Hoffmanns Erzählungen feiert Premiere
an der Chemnitzer Oper

Manuela Reinhold, Wochenspiegel Chemnitz, 31.03.2004

Ein wahrer Genuss erwartete die Premierengäste am vergangenen Samstag im Chemnitzer Opernhaus. Hoffmanns Erzählungen bildete eine fesselnde Einheit aus dynamischem Bühnenbild, überwiegend mitreißenden Akteuren und stimmungsvollen Melodien...


Nahtlose Übergänge

E.Roßner, in: Opernglas 6/2004, Vorstellung vom 4.April

...Arila Siegerts Inszenierung am Chemnitzer Opernhaus ist interessant, weil sie im Verbund mit einer unaufwendigen, einfallsreichen Ausstattung von Johannes Conen schnell verwandelbare Bilder erstellt, die Wirklichkeit und Vision in der Handlung nahtlos ineinander übergehen lassen können. Damit erscheinen die drei Frauengestalten Olympia, Antonia und Giulietta, von denen Hoffmann den Studenten im Weinkeller erzählt, tatsächlich der angebeteten Sängerin Stella sehr nahe, ihr verwandt... An choreografisch-gestischen wie dekorativen Ideen mangelt es nicht. Sie sind recht originell wie die zwei schaukelnden Böden – Venedigs Gondeln und Wellen andeutend...


Fabelhafte Bilder

Chemnitz zeigt Jacques Offenbachs einzige Oper: „Hoffmanns Erzählungen“

Jenny Zichner, in: Stadtstreicher, 01.05.04

Vorsicht Kunst! Auf der Bühne nur Phantasie, unglaubliche Begebenheiten, übernatürliche Kräfte. Immer wieder entführen die Erzählungen des Dichters Hoffmann in absurde Welten voller merkwürdiger Gestalten. Aber das Fabelhafte zieht gnadenlos an. Erst recht, wenn Arila Siegert inszeniert. Zusammen mit Ausstatter Johannes Conen gelingt ihr eine traumhafte Atmosphäre zwischen Leichtigkeit und Bedrückung ... ein Opernerlebnis von hinreißender Ästhetik.


Hoffmanns Geschichte klar erzählt

Offenbachs Oper in Chemnitz gefeiert

von Friedbert Streller (für crescendo) **)

Selten sah man eine so klar entwickelte, vollendet gestaltete Erzählungen Hoffmanns wie in der Chemnitzer Inszenierung der unvollendet hinterlassenen Oper Jacques Offenbachs durch Arila Siegert... Mit plastischer Bildkraft eines fantastisch sich variierenden Bühnenbildes von Johannes Conen samt geisterhafter Personage eines imaginären Orchesters bei Antonia und wie auf Meereswogen sich bewegenden Spielgrunds im Venedigbild setzt die Regisseurin sinnfällig ihre Vorstellungen im Geiste Offenbachs um...

Insgesamt waren die Leistungen hervorragend und fanden in der schlackenlos durchgezogenen Inszenierung einen besten Platz. Das Publikum feierte die Aufführung begeistert, natürlich besonders auch das Orchester unter Fabrice Bollon, der das Ensemble zu Höchstleistungen inspirierte, operngemäß, wo nötig, operettenhaft, wenn gefordert, immer aber in treffender Einfühlung.


Hoffmanns Erzählungen (Vorstellung am 26.05.)

Christoph Suhre, in: Thüringer Kulturspiegel, 01.08.2004

...Eine interessante Lesart stellte unlängst Arila Siegert mit ihrer Chemnitzer Inszenierung des Stückes (Premiere war am 27.03.) vor. Die Regisseurin erzählt das, was sie an dem Stoff bewegt. Sie hat sich ein Vorspiel auf dem Theater ausgedacht, das als Initialzündung für die Erzählungen von Hoffmann fungiert....

Die von Johannes Conen entworfene Ausstattung markiert mit relativ sparsamen Mitteln Handlungsorte, ohne sich auf Konkretes festzulegen. Das schafft auch rasche Verwandlungen. Verblüffend ist für mich in diesem Zusammenhang auch immer wieder, was die Bühnentechnik des Opernhauses Chemnitz möglich macht. Man muss sie halt zu nutzen wissen..., ein gelungener Theaterabend!


Für die Kunst

"frs" in opernnetz.de

Arila Siegert inszeniert ein Spiel der vergebenen Liebe, die bei Hoffmann in Tränen endet und ihm den letzten verzweifelten Weg in die Kunst lässt. Johannes Conen baut eine eher kühle Bühne als Kommunikationsraum der gebrochenen Gefühle. Michael Korth führt die äußerst flexible Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz zu differenziert-brillantem Offenbach-Klang...

Das Chemnitzer Publikum ist zunächst verunsichert durch die ungewohnte szenische Perspektive, akzeptiert den analytisch-emotionalen Zugang aber und feiert schließlich sein wunderbares Theater!


**) Im Saison-Rückblick der Sächsischen Zeitung (Dresden) vom 17.Juli 2004 wurde diese Produktion hervorgehoben in den Kategorien:

(1) Tendenzen

...Inzwischen auch schon Garanten für Qualität ... Arila Siegert als Regisseurin von Hoffmanns Erzählungen in Chemnitz... (Irene Tüngler)

(2) Interessanteste Aufführungen

...Hoffmanns Erzählungen gewann durch die Inszenierung von Arila Siegert eine bisher ungeahnte Klarheit der Handlung... (Friedbert Streller)

(3) Einzelleistungen

...Jana Büchner in Hoffmanns Erzählungen zeigte eine bemerkenswerte Olympia in dieser vorwiegend vom hauseigenen Ensemble getragenen Aufführung... (Friedbert Streller)

...Die perfekt puppenhafteste Olympia, die man je sah und hörte, entstand als Produkt von Stimme und Bewegungstalent der Sängerin Jana Büchner und der choreografischen Fantasie Arila Siegerts in Chemnitz... (Irene Tüngler)

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Und im Saison-Rückblick von Joachim Lange in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 3.Aug.2004 heißt es:

...Die in Chemnitz dominierende Handschrift von Michael Heinicke mag Geschmacksache sein. Doch ... mit dem wiederholten Engagement der offensichtlich bei der Opernregie "angekommenen" (und gut aufgehobenen!) Choreografin Arila Siegert, die in dieser Spielzeit Eugen Onegin und Hoffmanns Erzählungen beisteuerte, werden auch Regiehandschriften entwickelt und zugelassen, die dazu in einem interessanten Spannungsverhältnis stehen...


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