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Körperbetont

Arila Siegert inszeniert in Chemnitz Verdis „Maskenball“

Uwe Friedrich, in: DLF-Kultur, Fazit, 03.12.17

Mod.: …Wie hat Arila Siegert diese Dreiecksgeschichte inszeniert? Siegert ist Choreografin. Hat man eine choreografische Handschrift gesehen.

Friedrich: Absolut. Vor allen Dingen im Maskenball selbst, den ich selten so überzeugend und gleichzeitig so stilisiert inszeniert gesehen habe. Mittelpunkt dieses Balls, an dem der König Gustav ermordet wird, ist hier Ulrica. Sie steht unbeweglich in der Mitte, während der Chor um sie herumtanzt, eher schreitet in so abgezirkelten Bewegungen. Und manchmal verschwinden die Figuren des Maskenballs in dieser Menge. Man denkt sich, wo sind sie denn jetzt geblieben. Ich war wirklich einen Moment lang irritiert. Meistens weiß man: der König ist der bunte mit dem Verfolger-Spot, und die Verschwörer haben eine andere Farbe und sind gut ausgeleuchtet. Das ist hier nicht. Sie bewegt die Figuren im Raum. Das macht sie den ganzen Abend über. Sie erzählt die Geschichte eher abstrakt: ob das nun ein König ist, ob das Grafen sind oder Fürsten, ist ziemlich egal. Es geht um sozialen Druck in der Gruppe. Und es geht um männliche Ehr-Pusselei. Ob Amelia nun untreu geworden ist oder nicht, ist gar nicht so wichtig, sondern dass ihr Mann unglaublich Eifersucht verspürt, weil er angestachelt wird von seiner sozialen Gruppe.

Mod.: Beschreiben Sie doch noch ein bisschen genauer, wie das auf der Bühne ausgesehen hat…

Friedrich: Hans Dieter Schaal ist der bevorzugte Bühnenbildner von Arila Siegert. Er hat auch jetzt wieder große Betonräume entworfen, die sehr schön, sehr schnell verkleinert werden können. Ein großes Lob an die Chemnitzer Bühnentechnik. Es gibt weiße Bilderrahmen, in denen Traumszenen stattfinden, wo die Figuren der Vergangenheit wiederauftauchen, die handelnden Personen, Renato, den Gatten der Amelia heimsuchen. Sozusagen die Erinnerung an glücklichere Tage. Wenn Ulrica, die wichtige Wahrsagerin, die den Tod in diesem sehr todessüchtigen Stück prophezeit – wenn die auftauchen, dann erinnert das an die Hexen aus „Macbeth“ oder vielleicht auch an die Mägde, die zu Beginn von „Elektra“ phrenetisch den Hof scheuern von vergangenem Unrecht. Also Arila Siegert gibt immer wieder gemeinsam mit Hans Dieter Schaal und der Kostümbildnerin Marie-Luise Strandt Querverweise auf andere Mythen, auf andere Opern – wie sich das im 19. Und frühen 20.Jahrhundert alles gegenseitig befruchtet hat.

Mod.: Also szenisch ziemlich beeindruckend. Lassen Sie uns über die Musik sprechen. Chemnitz hat einen neuen GMD, den Spanier Guillermo Garcia Calvo. Hat Sie das musikalisch überzeugt?

Friedrich: Absolut. Calvo hat großes Gespür für dieses Stück. Zwischendurch nimmt er’s mal sehr lyrisch. Das könnte für meinen Geschmack ein bisschen knalliger sein. Aber dann wird’s auch wieder sehr rhythmisch. Er leitet die Sänger sehr geschickt durch den Abend. Ein durch die Bank sehr gutes Ensemble. Ho-Yoon Chung, der Gustavo III, hat für meinen Geschmack einen Tick zu viel Tenor-Turbo, dreht ein bisschen früh auf… Er ist sehr überzeugend den ganzen Abend. Ebenso gut Maraike Schröter als Amelia, die wirklich die Verzweiflung sowohl darstellen kann als auch die großen weitgespannten Linien singt und sich noch immer in den Ensembles auch gegen den Chor stimmlich durchsetzen kann. Ganz ganz toll. Alexandra Ionis war die Ulrica, Silvia Micu als koloratursicherer Oscar. Und auch die kleineren Rollen stehen dem überhaupt nicht nach. Das war wirklich sehr gut gesungen, sehr gut dirigiert – und eine Inszenierung, die in der Stilisierung die Künstlichkeit dieser Geschichte hervorhebt, und doch das Kunststück vollbringt, echte Persönlichkeiten auf die Bühne zu stellen.

Mod.: Großes Lob also für diese Aufführung…


Stimmig, präzise

Bettina Volksdorf, in MDR-Kultur, über den Chemnitzer „Maskenball“, 03.12.17

Mod.: …Ist Guillermo Garcia Calvo auch als Operndirigent so richtig angekommen?

Volksdorf: Ist er. Ich konnte ihn von meinem Parkettplatz aus ganz gut beobachten können. Er hat diesen „Maskenball“ wirklich musikalisch sensibel, oft mit großen weichschwingenden Bewegungen dirigiert, war mental ganz nah an den Sängern, dem Chor und dem Bühnengeschehen dran, indem er auf das Situative dieser Musik gesetzt hat und zugleich großen Wert auf Präzision legt... Winzige musikalische Trübungen betrafen eher den ersten Teil, wo es punktuell mal zu Tempo-Unstimmigkeiten zwischen Graben und Bühne kam. Und ich hätte mir gelegentlich auch einen Hauch mehr an Italianità, an Dringlichkeit vorstellen können. Diese Verdi-Oper hat ein enormes dramatisches Potential. Insofern war der zweite Teil für mich musikalisch noch schlüssiger. Und das Publikum hat Calvo und die Robert-Schumann-Philharmonie mit Konzertmeisterin Heidrun Sandmann sowie das ganze Ensemble am Ende völlig zu Recht gefeiert.

Mod.: …Ist Calvo ein richtiger Sänger-Dirigent?

Volksdorf: Eindeutig ja. Einerseits hat er die zahlreichen Chor- und Ensembleszenen – und die sind ja ein Markenzeichen dieser Verdi-Oper – bis ins Detail ausgearbeitet. Und obwohl der Chor sehr viel zu tun hat in dieser Arila-Siegert-Produktion war das eine stimmige Gesamtleistung. Andererseits stellt Calvo sich wunderbar auf die Solisten ein. Er trägt sie förmlich, und man merkt, dass er bei der Schumann-Philharmonie in die großen Fußtapfen des Vorgängers Frank Beermann tritt. Dies Orchester weiß einfach, worauf es in der Oper ankommt.

Mod.: …Waren alle Sänger rollendeckend besetzt?

Volkmann: Auch das kann ich bejahen. Sowohl das Liebespaar Gustavo-Amelia, als auch der Page Oscar zum Beispiel, den Siliva Micu mit ihrem beweglichen, absolut höhensicheren Sopran sang, oder wenn ich an die Altistin Alexandra Ionis als Ulrica denke, die viel Tiefe und Höhe braucht für diese Partie – die haben wirklich überzeugenden Leistungen geboten. Bei Ho-Yoon Chung als König Gustav von Schweden gefiel mir zudem die schauspielerische Intensität und Agilität dieses Tenors, bei Maraike Schröter eher die lyrischen Qualitäten dieses Soprans. Und nicht zu vergessen Graf Renato Anckarström – der wurde von Paolo Rumetz gesungen. Er ist ja der Freund und Sekretär des Königs, zugleich Ehemann Amelias. Und er fühlt sich von beiden hintergangen. Denn Amelia und Gustavo haben ein Liebesverhältnis, wenngleich ein platonisches. Hier überzeugte mich vor allem die tief menschlich empfundene Figurengestaltung dieses älteren betrogenen Ehemannes. Und die Aufzählung ließe sich fortsetzen, denn auch in kleineren Partien überzeugten Ensemblemitglieder wie z.B. der junge Magnus Piontek … oder Edward Randall. Also eine Chemnitzer Verdi-Produktion, die sich wirklich hören lässt.

Mod.: …Wie hat Arila Siegert das auf die Chemnitzer Bühne gebracht?

Volksdorf: In einem sehr stimmigen, ästhetisch-stimmigen und auch beeindruckenden Ambiente. Hans Dieter Schaal hat ein multipel bespielbares Bühnenbild entworfen, das mit seinen klotzig hohen fahrbaren Mauern, mit begehbaren Türen und Galerien ganz unterschiedliche Spielorte geboten hat, zugleich einiges über eine Gesellschaft erzählt, in der Anzugträger zu mordlüsternen Verschwörern mutieren, eine Welt zudem, aus der es kein Entrinnen gibt und die im Grunde auch keinen Raum für Liebe bietet. Auf mich hat das alles sehr stimmig gewirkt in Bezug auf die Personenführung: wie präzise die Regisseurin Arila Siegert z.B. mit dem Chor gearbeitet hat – all das überzeugte. Allerdings belässt es das Regieteam auch ein bisschen im Ungefähren. Da mischen sich in den Kostümen und in der Ausstattung Stile, Zeiten und Anmutungen, sodass man nur bedingt etwas konkret verorten kann. In Summe bleibt als zentrales Moment der Dreiecks-Konflikt zwischen Amelia-Gustavo und Graf Anckarström. Das allerdings hat in dieser Produktion eine archaische Qualität, womit das Regieteam nahe an Verdi und seinem Librettisten ist. Denn die mussten sich damals aus politischen Gründen ebenfalls genau darauf konzentrieren.

Mod.: Also in der Gesamtheit eine Empfehlung.

Volksdorf: Absolut, absolut.


Der tödliche Tanz der Masken

Verdis Oper "Ein Maskenball" gerät in der Chemnitzer Inszenierung zum dramatischen Reigen aus Liebe, Politik und Eifersucht und glänzt mit starken Frauenrollen. Zudem hat der Dirigent seine Feuerprobe bestanden.

Sarah Hofmann, in: Freie Presse, 04.12.2017

...Im "Maskenball" präsentierte er schon in den ersten Minuten seine ganz eigene Handschrift. Musikalisch setzte er auf Reduktion, auf ein sachtes Herantasten an den großen Stoff, auf die leisen Töne. Dabei platzierte er Pausen gekonnt und gab einzelnen Instrumenten Raum zur Präsentation. Verdis Melodien versetzte die Robert-Schumann-Philharmonie mit Leichtigkeit und setzte damit sowohl Kontraste als auch stimmige Ergänzungen zum tragischen Bühnengeschehen.

Auch in der Inszenierung von Arila Siegert war von dem Pomp und Prunk, die der Titel und der Opernstoff versprechen, nichts zu sehen. Das variable Bühnenbild des Architekten Hans Dieter Schaal fügte sich aus Betonwänden zusammen und schuf eine bedrohliche und gefängnisartige Kulisse. Ein geschickter Zug, denn so ließ sich das Geschehen nicht mehr allein in der Vergangenheit verorten, sondern hätte genauso gut in Nordkorea oder anderen heutigen autoritären Regimen stattfinden können, in denen sich Höflinge um einen Alleinherrscher scharen...

Die Glanzlichter, die die Inszenierung zum großen Erlebnis machten, waren aber drei sehr starke Frauen... Die Herren im Ensemble müssen sich mächtig anstrengen, um mit den Damen musikalisch Schritt halten zu können. Zumal der Chor im "Maskenball" geradezu zum Star avanciert. Inhaltlich bietet er den Hauptrollen einen Reflexionsrahmen, musikalisch ziehen die Damen und Herren sämtliche Register und zeigen sich auch in Spiel und Tanz mitreißend...

Und doch war der Applaus am Ende tosend. Die Inszenierung gefiel. Auch Guillermo García Calvo wurde gebührend honoriert...

 

EIN MASKENBALL
Das blutrote Halstuch des Königs

(Chemnitz, 2.12.2017) Guillermo García Calvo gibt seinen glänzenden Einstand als neuer Musikchef, das Regieteam um Arila Siegert ergänzt ihn ideal

Von Roland H. Dippel, 4. Dezember 2017, in: concerti

Eigentlich ist es bei dieser Produktion egal, ob sich die Oper Chemnitz auf die „Stockholmer Fassung“ oder die nach absurden Kämpfen mit der neapolitanischen Zensur für Rom geringfügig entschärfte „Bostoner Fassung“ beruft. Der neue musikalische Chef Guillermo García Calvo liefert einen glänzenden Einstand im Musiktheater und veredelt den toppgenauen Zugriff des um Arila Siegert eingespielten Regieteams, das in Chemnitz für seine Inszenierungen von „Freischütz“, „Eugen Onegin“ und Faurés „Pénélope“ sehr geschätzt wird. Genau erarbeitetes „post-realistisches Musiktheater“ und ein in der Grundhaltung lyrisches Verdi-Verständnis ergänzen sich ideal...

Möglicherweise treibt die Akribie des Regieteams die Kollegen zu dieser musikalischen Meisterleistung. Daran ist sicher nicht Schlechtes, denn Arila Siegert, Hans Dieter Schaal und Marie-Luise Strandt zeigen die heute fast schon altmodische Tugend der genauen Gedankenführung auf einer Linie, die sich den Brüchen und Vielschichtigkeiten der von ihnen erarbeiteten Werke mit gedanklicher Fülle stellt. Das erfordert von Zuschauern die volle Aufmerksamkeit für Details...


Victoria Winkel, in: tag24

...Die knapp dreistündige Inszenierung von Arila Siegert ist kurzweilig und hat trotz der Thematik zahlreiche heitere Momente. Das Publikum war begeistert und dankte es mit einem dutzend Vorhängen und vereinzelten Standig Ovations.


So schön, dass die Augen schwitzen

Theaterförderverein Chemnitz, 03.12.2017

Premiere im Rückblick:
Guillermo García Calvo dirigiert zum ersten Mal als GMD im Graben -
Wiedersehen mit Arila Siegert -
Umjubelter „Maskenball“

...Arila Siegert, die in Chemnitz vor Helmich bestechende Arbeiten abgeliefert hat (Freischütz, Eugen Onegin), inszenierte den „Maskenball“ als spannende Geschichte, perfekt bis ins letzte Detail, verliebt in alle (Gefühls-)Kontraste, die Verdi zum aufwühlenden Libretto von Antonio Somma komponiert hat. Ein sprechendes Bühnenbild, ein auch choreografisch geforderter Chor und beeindruckend gute Sänger – kein Wunder, dass das Publikum am Samstagabend im voll besetzten Opernhaus die Aufführung minutenlang bejubelte.

Arila Siegert kommt vom Tanz her. Sie hat bei Palucca gelernt. Später ließ sie sich als „berufene Expertin“ vom Bauhaus in Dessau prägen. Beide Erfahrungen prägen diesen „Maskenball“. Der Chor, dem Verdi in der Musik eine Hauptrolle zugedacht hat, wird schauspielerisch und vor allem in der Bewegung gefordert. Siegert reiht ihn längs, quer und diagonal. Sie ballt ihn drohend und lässt ihn fröhlich toben, sogar bei einer Schneeballschlacht. Einmal ist Offenbachs Can-Can ganz nah, dann dreht er sich in einer Spirale um Ulrica, die Zigeunerin, beim Totentanz...

Dieser Verdi ist ein Krimi, ganz nebenbei. Auch wenn er hier mal nicht auf seinen Krimi-Liebling Schiller zurückgegriffen hat wie bei den Räubern, der Jungfrau von Orléans oder den Räubern. Siegert führt nicht nur den Chor grandios. Sie lässt auch die Figuren „leben“, sodass jeder alles versteht, selbst wenn es keine Obertitel gäbe (die im Übrigen wieder hervorragend gekürzt sind. Und bei Ensembles auch die Namen hinzufügen. Klasse und Danke). Dramatik pur, in jeder Sekunde. Jeder will wissen, wie es weitergeht – auf der Bühne. Die Geschichte selbst kennen dabei die meisten…

Große Oper. Großer Abend. Großer Jubel. Zurecht.


Totentänze auf dem Grab

Musikalisch grandios, szenisch interessant: Giuseppe Verdis Oper „Ein Maskenball“ in Chemnitz

Boris Gruhl, in: Dresdner Neueste Nachrichten, 14.12.2017
über zweite Vorstellung am 08.12.17)

Zwischen so massiven Wänden aus Beton, wie sie Hans Dieter Schaal für die sich rasch wandelnden Raumkonstellationen in Arila Siegerts Inszenierung der Oper „Ein Maskenball" von Guiseppe Verdi auf die Bühne des Chemnitzer Opernhauses gebracht hat, da muss man sich doch amüsieren, Masken tragen, Faxen machen, tänzeln, witzeln oder sich aus dem Kaffeesatz lesen lassen, was die Zukunft bringen wird oder auch nicht...

Es ist ein Verdienst der Inszenierung, dass sie gerade diesem Spaßvogel [Gustavo] viel Empathie widmet, wenn sie immer stärker herausarbeitet, dass hinter der Maske des Vergnügens auch die Zweifel, auch die Verunsicherung an diesem jungen Zeitgenossen nagen, der an dem existenziellen Zwiespalt zwischen der Liebe zu Amelia, der jungen Frau seines älteren, hier fast väterlichen Freundes und Sekretärs Renato Anckarström, zu zerbrechen droht und sich letztlich gegen seine Liebe, für ihn entscheidet. Es ist zu spät, den Freund hat die Eifersucht übermannt, die Verschwörer geben dem Mordkomplott politische Rechtfertigung, da hilft keine Maske, der Maskenball wird zum Totentanz, Renato ermordet Gustavo, der stirbt auf jener Grabplatte zwischen den Mauern aus Beton, die längst nicht mehr nur eine Gesellschaft der Maskenträger umgeben, sondern in ihren Köpfen sind...
 
Verdi, so witzig, tragikomisch, stark choreografisch von Arila Siegert inszeniert und dennoch in keiner Weise diskreditiert, mit den Kostümen von Marie-Luise Strandt, bei denen nicht nur die Zeiten, auch die Genres sich mischen. Formate der Commedia dell'arte treffen auf tragische Konstellationen der manchmal wie fremdbestimmt wirkenden Menschen. Der Chor übernimmt zuweilen auch optisch kommentierende Funktionen antiker Dramatik, was aber ästhetisch auch schon mal den Broadway nach Chemnitz bringt und dann die ganz große Oper, wie man sie kennt, alle an die Rampe, Pantomime wie im klassischen Ballett.
 
Und genau solche Momente sind es dann auch, in denen die Musik sich über die Szene erheben kann, denn in Chemnitz kann man mit Sängern des Hauses und Gästen ein grandioses Ensemble erleben. Im Gesang fällt jede Maske...


Vier Frauen, ein Ring

Viel weibliche Phantasie soll es richten: Die Oper Chemnitz geht mit Wagners Tetralogie und Verdis „Maskenball“ in die Offensive.

Von Gerald Felber, in: FAZ 28.12.17

...Den Bühnenauftakt seiner Chefzeit aber bestritt García Calvo mit Giuseppe Verdis „Maskenball“, den man, mit des Dirigenten euphorischen Wagner-Bekenntnissen im Ohr, gleich irgendwie anders zu hören geneigt war. Kann die Stockholmer Königsmord-Geschichte irgendwelche Analogien zum Bayreuther Musikmythen-Arbeiter offenbaren?

Aber ja doch. Die dunkle Glut besonders des Galgenberg-Bildes, überhaupt ein jede kurzatmige Perioden-Metrik à la Donizetti überspielender, ins metaphysisch Uferlose drängender, vom Chemnitzer Orchester mit großer Intensität umgesetzter Orchestersound: So fern waren sich da Wagner und Verdi, zumindest im Bewusstsein der Ausführenden, nicht. Was demgegenüber fast folgerichtig ein wenig kurz kam, waren die ironischen, gelegentlich gar zynischen und quasi operettenhaften Elemente der Partitur, ihr funkelnd leichtfertiger Esprit.

Das galt analog auch für Arila Siegerts schicksalhaft wuchtige, düster gestimmte und zum statisch-symmetrischen Arrangement tendierende Inszenierung – und war schließlich dennoch gut anzusehen und zu hören, weil auch die Sänger bestens ins Klang- und Regieprofil passten: Maraike Schröter eine schwerblütig leidenschaftliche Amelia, Paolo Rumetz als kantiger, heftig ausbrechender Renato...


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