...Schaals Bühne - schiefe Wände,
stürzende Linien, in der Mitte ein über Eck gestelltes,
leicht nach vorn gekipptes Zimmer mit einem Fenster als
Ausstieg und Lichteinlass - ist zwar eher Expressionismus...,
doch ist sie Gold im Vergleich mit Schaals ... Texten über
die Stadt als Ballung von Räumen...
Arila Siegert tut das einzige
Richtige: Sie ... versucht gar nicht erst, seine Räume zum
Tanzen zu bringen. Statt dessen entfaltet sie zwischen den
Wänden und Versatzstücken sehr vorsichtig tänzerische
Bilder einer Dreierbeziehung: ein Mann (Thomas Hartmann)
ist konfrontiert mit zwei Frauen. Bei einer der Frauen (die
schöne, starke Carola Tautz) scheint es sich um eine
reale Partnerin zu handeln, bei der anderen, von der
Choreografin selbst getanzt, um eine Erinnerung, die sich
immer wieder zwischen das reale Paar drängt. Zu einer eigens
für diesen Anlass komponierten Musik von Lutz Glandien
... entwickelt sich die Choreografie aus schläfriger Ruhe zu
einer Kette von Bewegungen und erstarrt schließlich wieder
in der Bewegungslosigkeit... Anfangs liegt Hartmann
zusammengekrümmt in der Zimmerecke; nur schwer scheint er,
sich am Boden windend, aus Schlaf und Traum ins Leben
hineinzufinden. Dass von Beginn an auch die beiden Frauen auf
der Bühne sind, bemerkt der Zuschauer erst nach einiger
Zeit: Tautz lehnt im Dunkel regungslos an einem Geländer,
Siegert hat sich unter der angehobenen rechten Ecke der
Zimmerbodens verkrochen. "Einsamkeiten+Dinge" ist
dieser erste Teil des Stücks überschrieben, in dem Siegert
wie ein Geist bei Hartmann hereinschaut und wieder
verschwindet.
Teil zwei bringt die Begegnung zwischen
Hartmann und Tautz, wenn man will: eine Liebesszene. Der Mann
hat vorher das Zimmer ein wenig wohnlicher eingerichtet und
einen Tisch und einen Stuhl angeschleppt, auf denen die -
durchaus erotische - Annäherung des Paars sich vollzieht.
Doch scheint die Beziehung nicht zu funktionieren! Die Szene
endet mit der Trennung des Paares. Im folgenden Teil sucht
die Schattenfrau den Mann heim als eine Art Sukkubus:
bedrängt ihn, hockt auf seinen Schultern. Der
Wiederbegegnung von Tautz und Hartmann - "Stadtnacht,
nächtliche Panik" - gehen lange, rastlos suchende
Gänge voraus; doch auch die Wiederbegegnung im Zimmer
scheitert, weil sich die Dritte immer wieder zwischen die
zwei schiebt; die Positionswechsel des Trios von einer Ecke
des Raumes zur anderen gehören zu den bewegtesten Teilen der
ungefähr einstündigen Aufführung, mit der Arila Siegert,
zu DDR-Zeiten das wohl größte Talent der ostdeutschen
Tanzszene, zu alten Stärken zurückzufinden scheint...*) Wie
ihre frühen Arbeiten - Die Maske, Kassandra -
die eigentümlich klaustrophobe Atmosphäre der
DDR-Gesellschaft reflektierten, spiegelt Stadträume
die Verlorenheit der Menschen in der neuen bundesdeutschen
Gesellschaft wieder...