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Konzeption
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Mozart-Glück zum Saisonstart

Arila Siegert inszeniert in Regensburg „Le nozze di Figaro“

Juan Martin Koch, in: Neue Musikzeitung, 19.09.2021

Statt wie ursprünglich geplant mit Puccinis groß besetzter „Turandot“ startete das Theater Regensburg mit Mozarts „Le nozze di Figaro“ in die neue Spielzeit. Die Verbindung von Arila Siegerts choreographischer Inszenierung mit einem brillanten Ensemble erwies sich dabei als perfekte Kombination.

Stumm sitzen Graf und Gräfin als entfremdetes Ehepaar in der ersten Szene an den beiden äußeren Enden der Bühne, während Figaro und Susanna über die Lage ihres künftigen gemeinsamen Schlafzimmers im Haus debattieren. Bei den gesungenen Glockenzeichen („din-din“ – „ don-don“) erwachen sie zum Leben und gehen nach hinten ab, wobei der Graf ungerührt durchs ungemachte Bett stapft.

Regisseurin und Choreographin Arila Siegert gelingt es, in ihrer Regensburger „Figaro“-Inszenierung mit wenigen Bewegungselementen Arien und Ensembles in szenischem Fluss zu halten und gleichzeitig weitere Interpretationsebenen anzudeuten. Zu seiner Kriegserklärung an den Grafen („Se vuol ballare“) führt Figaro zusammen mit Chormitgliedern eine kleine revolutionäre Tanzchoreographie auf, im turbulenten Finale des zweiten Aktes wird ein überdimensionierter Brautschleier zum dominierenden, die Akteure in immer neuen Konstellationen verbindenden oder umschlingenden Requisit.

All das atmet in dem zeitlosen Bühnenbild – Hans Dieter Schaals elegantes Gebäude wird mehr und mehr entkernt – eine poetisch-melancholische Heiterkeit, die gesellschaftliche Hintergründe und zwischenmenschliche Abgründe nur anzudeuten braucht, um die Tiefendimensionen dieses Wunderwerks spürbar zu machen.

Ein herrliches Ensemble macht das Mozart-Glück perfekt, wobei vier neu am Haus Engagierte einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen: Frederic Mörth ist ein jugendlich-viriler, geschmeidig phrasierender Figaro, Eva Zalenga eine leichtfüßig-selbstbewusste Susanna mit traumhaften Piani in der Rosen-Arie. Von Anna Werles flotter Anwaltsgehilfin Marcellina hätte man gerne die Arie im vierten Akt gehört, Young Kwon singt mit Bartolos Rache-Ankündigung seine Mitverschwörer mühelos vom Marmorhocker.

Seymur Karimov hat den fälligen Schritt vom Figaro zum Grafen gemacht und lieferte die sängerisch reifste, differenzierteste Leistung des Abends ab, Theodora Varga zügelte ihre für die Gräfin eigentlich zu große Stimme immer wieder klug. Vera Semieniuks burschikoser Cherubino durfte einen köstlichen Zeitlupen-Balkonsprung absolvieren, Barbarinas Nadelsuche war dank Albertina Del Bo herzzerreißend. Brent Damkier (Basilio), Christian Schossig (Don Curzio) und Roman-Ruslan Soltys (Antonio) fügten sich nahtlos in das spürbar mit Freude und Herzblut agierende Kollektiv ein.

Generalmusikdirektor Chin-Chao Lin animierte das gut aufgelegte Philharmonische Orchester jenseits modischer Tempoexzesse zu einer tiefengeschärften Lesart, musste die quirligen Sänger in manchen Momenten allerdings auch entsprechend bremsen. Der klein besetzte Chor (Einstudierung Alistair Lilley) machte auch als Tanztruppe eine gute Figur, Arturo Del Bo war am Hammerflügel ein hellwacher Continuo-Chef.

So startete das Theater Regensburg vor vollem, maskierten Haus mit einer zu Recht umjubelten Premiere in seine Interims-Spielzeit, in der Klaus Kusenberg das Haus leitet, bevor Sebastian Ritschel im Herbst 2022 das Ruder übernimmt.


Geglückter Saisonstart mit Mozart

"Le nozze di Figaro" in Regensburg

von Franziska Stürz, in: BR-KLASSIK, 20.09.2021

Vor voll besetztem Haus gaben am Samstag viele neue Ensemblemitglieder ihren Einstand am Theater Regensburg. Und das Publikum erlebte mit Mozarts "Figaro“ in der Version von Regisseurin Arila Siegert nach langer Durststrecke einen beglückenden Opernabend.

Mit Mozarts Meisterwerk "Le nozze di Figaro" eine Spielzeit zu beginnen ist mutig. Schließlich können zahlreiche exemplarische Interpretationen als Vergleich herhalten, und über drei Stunden müssen sowohl die musikalische als auch die szenische Spannung tragen. Generalmusikdirektor Chin-Chao Lin setzt mit dem hervorragend durchsichtig spielenden Philharmonischen Orchester Regensburg auf hohes Tempo und Brillanz, sodass die verrückte Leichtigkeit des "tollen Tages" wie auch die emotionalen Abgründe der Figuren das Publikum in nicht nachlassender Intensität fesseln.

HOHES NIVEAU DES HAUSEIGENEN ENSEMBLES

Dass in Regensburg sämtliche Partien aus dem Ensemble besetzt werden können, ist außergewöhnlich. Sowohl die Homogenität als auch das hohe Niveau überraschen und begeistern an diesem kurzweiligen Mozart-Premierenabend voller Eleganz. Die jungen Ensemble-Neuzugänge Frederic Mörth als sympathischer Figaro und Eva Zalenga als hinreißende Susanna überzeugen besonders durch ihre unaufgesetzte Natürlichkeit, bei der das komödiantische Element trotzdem nicht zu kurz kommt.

ÜBERZEUGENDE REGIEARBEIT VON ARILA SIEGERT

Die Zauberkraft dieser Figaro-Neuproduktion entsteht zusammen mit der Musik aus der mit äußerst feinem Händchen geführten Regie und Choreografie von Arila Siegert. Sie setzt in dem schlicht weißen, drehbaren Bühnenraum von Hans Dieter Schaal auf leichtfüßige, tänzerische Bewegungen und klare Körpersprache. Und sie erzählt auch die kleinen Geheimnisse der Geschichte so gut, dass das Publikum sich nie in den Wirren der vielen Intrigen verliert. Arila Siegert verzichtet auf eine Überzeichnung der Figuren, nimmt auch Marcellina, Bartolo und Don Basilio vollkommen ernst, sodass auch die zum Terzett umgewandelte Brief-Szene mit der integrierten Marcellina absolut schlüssig erscheint. Anna Werle verkörpert sie als junge, elegant im 1940er-Jahre-Look gestylte Lady und gibt so einen interessanten neuen Blick auf die sonst meist als komische Alte besetzte Figur der Mutter.

RAUSCHENDER SCHLUSSAPPLAUS

Seymur Karimov gibt in seinem gelungenen Rollendebüt als Graf den trotz aller Schwächen sympathisch bleibenden Womanizer. Er kann sowohl aggressiv aufbrausen und den ebenfalls verzweifelt nach Liebe suchenden Cherubino von Vera Semieniuk bestrafen, als auch die stets edel und gefasst agierende Gräfin von Theodora Varga kleinlaut um Verzeihung bitten.

Da Premierenfeiern noch nicht erlaubt sind, nutzten Intendant Klaus Kusenberg und Operndirektorin Christina Schmidt den rauschenden Schlussapplaus zur Danksagung an alle Beteiligten auf offener Bühne und feierten mit dem Regensburger Publikum eine absolut geglückte Spielzeiteröffnung.


Stefan Rimek, in: Donaupost, 21.09.2021

Kritik "Figaro", Donaupost


Hartmut Regitz, in: Opernwelt 12 / 2021 mit einem Vergleich von
5 Choreograf*innen als Opern-Regisseur*innen

Figaro-Kritik_Opernwelt 12/2021

weiter... (der ganze Text) >>>

Franziska Stürz, in: OPER! 11/2021

Figaro-Kritik_OPER!2021.11


 

Die feministische Mozart-Oper

Mit der „Hochzeit des Figaro“ eröffnet die neue Saison des Theaters – modern, mitreißend und mit voller Orchesterbesetzung.

Daniel Pfeifer, in: Mittelbayerische Ztg., 20.09.2021

Regensburg. Es war ein seltsames Gefühl, als der Applaus aus vollen Rängen durch den Theatersaal schallte – so laut, dass sich die Schauspieler auf der Bühne ein glückliches Dauergrinsen nicht verkneifen konnten. Nicht seltsam, weil sie es nicht verdient hätten für ihre grandiose Vorstellung von Mozarts „Hochzeit des Figaro“. Sondern, weil es gefühlt Jahre her ist, dass wieder das komplette Ensemble und das komplette Orchester vor vollem (maskierten) Publikum spielen durften.

Mit der „Nozze di Figaro“ eröffnete das Theater Regensburg am Samstagabend die neue Spielsaison. Die Oper, zu Mozarts Zeiten mäßig erfolgreich, ist heute eines seiner beliebtesten Werke. Ihre Themen sind teils tiefschürfend, teils ziemlich versaut und teils progressiv: Wenn das Militär veräppelt und veraltete Traditionen hinterfragt werden, die Männer als eifersüchtige Gockel dastehen und die Frauen die eigentliche Hauptrolle spielen – auf diesen feministischen Aspekt legte Dramaturgin Julia Anslik in der Inszenierung durchaus Wert. Die sympathischsten Charaktere – die viel umworbene Susanna, die sehnsüchtige Gräfin (großartig gespielt von Theodora Varga), aber auch der dauerverliebte Page Cherubino, werden von Frauen gespielt. Im Kontrast dazu stehen die Verschwörer Bartolo, Basilio und Don Curzio, der liebende aber sehr eifersüchtige Figaro und der notgeile Graf.

Letzterer, dargestellt im knallroten offenen Aufreißer-Hemd, war mit dem Schauspieler Seymur Karimov genial besetzt. Der gebürtige Aserbaidschaner hatte schon an verschiedenen Theatern den Figaro gespielt. Nun wechselte er in die Rolle des Grafen, der seine Frau nicht mehr liebt und deshalb der jungen Susanna, der Verlobten des Figaro, nachgeiert.

Zum Schluss erhält dann natürlich selbst der Graf, der Antagonist der Oper, sein Happy End mit allen anderen. Vier Paare finden im Finale zusammen: Die jüngsten, Cherubino und Barbarina, verlieben sich ganz frisch. Die Liebenden Figaro und Susanna heiraten. Das alte Paar Marcellina und Bartolo finden wieder zu sich, nachdem sie herausfinden, dass Figaro der lange verschollene Sohn ist.

Und schließlich entfacht sich auch die totgeglaubte Liebe zwischen Graf und Gräfin wieder, eingerahmt in eines von Mozarts wohl schönsten Liebesliedern „Contessa Perdono“. Oder, wie die Szene im oscarprämiert verfilmten Stück „Amadeus“ beschrieben wird: „Wie kann man einen Augenblick wirklicher erfassen? Und wie überhaupt, wenn nicht durch vollkommene Künstlichkeit? Der opernhafte Schein war wie für Mozart geschaffen. Die Versöhnung am Ende verschwamm mir vor den Augen.“

Die Emotionen, die die „Hochzeit des Figaro“ weckt, haben seit seiner Entstehung kaum an Kraft eingebüßt. Dass sie auch in der Inszenierung von Regisseurin Arila Siegert noch so modern und mächtig sind, lag auch daran, weil diese nie zu verkopft oder zu vollgepackt war. Weder das Spiel der Darsteller, noch die simple Bühne, noch die pragmatischen Kostüme, standen je der großartigen Musik Mozarts im Weg oder übertönten sie.

„Wir hätten sagen können: Wir lassen den Figaro auf dem Mond spielen oder in einer Tankstelle. Aber das mache ich nicht,“ kommentiert Regisseurin Siegert. Die Inszenierung können Opernliebhaber, wie auch Neulinge genießen, denn sie ist weder abgehoben, noch zu verkünstelt. Sie versucht nicht, alle Räder neu zu erfinden. Denn das ist auch mit diesem genialen Werk Mozarts absolut nicht notwendig.

In Szene gesetzt wurde all das durch das grandiose Bühnenbild: Ein zurückhaltendes, realistisches weißes Haus, das im Laufe des Stücks zur Bauruine wird.

Die Kostüme waren gezielt zeitlos, irgendwo aus den Jahrhunderten zwischen 1780 und Heute. Zudem profitierte die Premiere vom großartigen Opernchor – von dem jeweils ein Drittel mit Masken auf der Bühne stand – der mitreißenden musikalischen Qualität des Orchesters unter Chin-Chao Lin, das abgesehen von einem 2. Trompeter in Originalbesetzung war, und den Neuzugängen am Theaterensemble: unter ihnen Eva Zalenga als Susanna und Frederic Mörth als Figaro.


Federleichte Erzählweise

A. Meixner, in: DAS OPERNGLAS 11 / 2021

Kritik Opernglas 11-2021


Oper! Magazin - Kurzkritik auf facebook, 19.09.2021

...Grandiose Ensembleleistung des Theater Rgenesburg mit vielen jungen Neuzugängen. Allen voran Eva Zalenga und Frederic Mörth als Susanna und Figaro. Arila Siegerts leichtfüßige Regie bezaubert mit schlichter Eleganz und ernsthaften Rollenprotraits...


Verena Gerbl, in: lautschrift.org, 26.09.2021 (Studierendenzeitschrift der Uni Regensburg)

...Durch die Inszenierung der Regisseurin und Choreografin Arila Siegert werden Körpersprache, Gesang und Musik so miteinander verwebt, dass man* die Beweggründe des menschlichen Handelns, die zentralen Motive des Zusammenlebens, des Vertrauens und der eigenen Identität nachvollziehen kann. Mozart und Da Ponte lassen in ihrem Werk einen tiefen Blick unter die Oberfläche gesellschaftlicher Strukturen zu und setzen das Menschliche, das uns alle ausmacht, auf ein Podest...


Vorbericht